Wie können wir in schwierigen Zeiten (Selbst-)Sicherheit finden?
Interview mit einer Resilienz- und Achtsamkeits-Trainerin
Wie schaffen wir es, mit Krisen besser umzugehen und unsere Sicht auf Dinge zu verändern, die uns persönlich stark herausfordern? Und wie können wir unseren Optimismus stärken? Kathrin Wahl, verantwortlich für Marktforschung im Bereich Gartengeräte bei Bosch Power Tools, bietet regelmäßig Resilienz- und Achtsamkeitstrainings an und ist zudem als Meditationslehrerin und Beraterin für psychische Gesundheit tätig. Im Interview gibt sieTipps, wie jeder an seiner eigenen Widerstandskraft arbeiten kann.
Kathrin, warum und seit wann beschäftigst du dich mit dem Thema Resilienz?
Ich beschäftige mich seit acht Jahren intensiv mit dem Thema mentale Gesundheit. Wir haben nur ein Leben – und das sollten wir bewusst leben. Eine Ausbildung mit staatlicher Prüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie war mein Einstieg. Eine zweijährige Coaching-Ausbildung hat mir daraufhin Methoden vermittelt, mit Menschen konkret an der Frage zu arbeiten: „Welchen Sinn will ich meinem Leben geben?“ Inzwischen arbeite ich nebenberuflich als Resilienz- und Achtsamkeits-Trainerin und halte seit einigen Jahren regelmäßig Vorträge. Außerdem biete ich Klang-Meditationen und Kunst-Therapie an.
Was motiviert dich, regelmäßig Resilienz-Trainings für Mitarbeitende zu geben?
Unsere Psyche ist genauso wichtig wie unser Körper. Wenn sie leidet oder krankt, sind wir nicht mehr leistungsfähig. Wir verlieren unsere Gestaltungsfreiheit, unsere Flexibilität, und unsere Lebensfreude. Mein Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ein bewusstes, selbstbestimmtes Leben zu führen. Ich habe schon viele positive Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen zu meinen Kursen bekommen. Das berührt mich jedes Mal aufs Neue und zeigt mir, dass meine Impulse angenommen werden und ich etwas in Menschen bewegen kann.
Wie prägt das Thema Resilienz deinen beruflichen Alltag?
In schwierigen Zeiten habe ich immer am meisten über mich selbst gelernt. Sie zwingen uns zur Selbstreflexion, manchmal auch dazu, wieder einen Schritt zurückzugehen, um mehr zu sehen. Wenn sich Dinge um uns verändern, ist unser Blick zunächst oft auf die eine Situation begrenzt. Dann müssen wir Wege finden, wieder zu mehr Selbstwirksamkeit zu gelangen – also zu der Überzeugung, dass unsere Stärken, Talente und unser erlerntes Wissen uns dabei helfen werden, schwierige Situationen zu überwinden.
Was bedeutet Resilienz, und wofür brauchen wir sie?
Resilienz bedeutet Widerstandsfähigkeit, mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können, gestärkt aus Krisen und schwierigen Phasen hervorzugehen. Resilienz wird auch als das Immunsystem der Psyche bezeichnet. Gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir Stabilität. Diese können wir in uns selbst aufbauen und kultivieren – gerade dann, wenn sich unser Umfeld verändert und wir vor neuen Herausforderungen stehen. Es gibt acht Säulen der Resilienz, an denen wir arbeiten können, um diese innere Stabilität zu erlangen.
Was versteht man unter den acht Säulen der Resilienz?
Es gibt verschiedene Faktoren, die unsere Resilienz stärken. Die erste Säule ist ein realistischer Optimismus: Wir erwarten Gutes, auch wenn die Situation nicht danach aussieht – nicht zu verwechseln mit toxischer Positivität. Wir sollten also nicht krampfhaft immer positiv sein und alles rosarot sehen. Stattdessen fokussieren wir uns auf positive Aspekte und lassen uns nicht von unseren Ängsten leiten. Zunächst sollten wir wahrnehmen, wenn eine Lebensphase oder Situation für uns schwierig ist und warum. Achtsamkeit spielt hier eine wichtige Rolle. Unsere Wahrnehmung richtet sich evolutionsbedingt zunächst auf potenzielle Gefahren, um uns genau davor zu schützen. Was aber wichtig ist: nur 15 Prozent unserer Sorgen treffen tatsächlich ein. Und 79 Prozent von diesen eingetroffenen Situationen lassen sich wesentlich leichter lösen, als zunächst befürchtet (Quelle: Dr. Robert L. Leahy, 2006).
Welche weiteren Säulen der Resilienz gibt es?
Die zweite Säule ist Zukunftsorientierung: Wir schauen nach vorne und verfolgen unsere Ziele. Die dritte Säule ist Selbstwirksamkeit: Wir nutzen unsere Stärken, Begabungen und Talente, um aktiv unser Leben zu gestalten und auf positive Veränderungen hinzuwirken. Die vierte Säule ist Lösungsorientierung: Wir suchen nach Lösungen, statt permanent das Problem zu umkreisen. Die fünfte Säule ist Netzwerk-Orientierung: Wir brauchen ein stabiles Netzwerk an Menschen, die uns unterstützen und Halt geben, auch mental. Die sechste Säule ist Verantwortungsübernahme für uns selbst: Wir sehen uns nicht als Opfer, sondern gestalten aktiv unser Leben. Die siebte Säule ist Akzeptanz: Hier geht es darum, uns für alle Aspekte des Lebens zu öffnen, und Widerstände zu überwinden, denn Widerstand lähmt uns. Die achte Säule ist schließlich Erholung.
Kann man all das üben?
Ja, und das ist die gute Nachricht. Es gibt Übungen unterschiedlicher Art und Intensität, die helfen, die Säulen unserer Resilienz regelmäßig zu stärken. Wir können viele dieser Übungen gut in unseren Alltag integrieren. Wichtig ist jedoch, dass Resilienz kein rosaroter Puderzucker ist, den man bei Bedarf über den Alltag streut. Die Arbeit an der eigenen Resilienz erfordert eine bewusste Entscheidung und viel Disziplin.
Fazit
Resilienz ist die Widerstandsfähigkeit, mit den Herausforderungen des Lebens umgehen zu können und gestärkt aus ihnen hervorzugehen – sozusagen das Immunsystem der Psyche. Mit Selbstreflexion und Disziplin kann jeder lernen, die eigene Resilienz zu stärken. Man unterscheidet acht Säulen, an denen man aktiv arbeiten kann.